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Konstantin-Andok-Literaturpreis 2023 – die Preisträgerin ist Rike Reiniger, gefolgt von Olivier David und Christian Wittmann

Ende April 2024 wurden die drei Gewinner:innen des neuen Konstantin-Andok-Literaturpreises (KALP) in einer Online-Veranstaltung der Initiative SOLI NETZ gewürdigt. Der Preis, der im Vorjahr zum ersten Mal ausgeschrieben wurde, stand unter dem Motto: „Mut zur Haltung“.

Der Konstantin-Andok-Literaturpreis erinnert an Konstantin Gedig (*1995) aus Norddeutschland. Er schloss sich 2016 den gegen den Islamischen Staat (IS) kämpfenden Volksverteidigungskräften YPG in Nordsyrien (Rojava) an. Dort nahm er den Kampfnamen Andok Cotkar (kurdisch: Bauer) an und unterstützte deren Kampf – erst gegen den IS, später gegen die völkerrechtswidrige türkische Invasion – als Sanitäter. Konstantin-Andok fiel am 16. Oktober 2019 in Serêkaniyê/Ras-al-Ayn bei einem Gefecht durch einen Luftangriff der Aggressoren des NATO-Mitgliedsstaats Türkei.

Der Konstantin-Andok-Literaturpreis möchte Meinungen und Menschen zusammenbringen und Horizonte erweitern. In der Ausschreibung hieß es:

Trotz technologischer Voraussetzungen, die in den letzten Jahren den globalen Austausch radikal erweiterten, werden viele wichtige Themen eng geführt. In aufgeheizten Debatten sozialer Netzwerke werden gesellschaftliche Nöte individualisiert und Solidarität durch Opferkonkurrenz verdrängt.“

Was wir aber dringend brauchen, ist eine fortschrittliche und solidarische Öffentlichkeit, in der Menschen ihre Zweifel überwinden und Mut zu einer kritischen Haltung entwickeln und bewahren. Dafür standen sehr viele der annähernd 200 eingereichten Texte, die oft eine hohe Qualität aufwiesen. Ausdrücklich sei hier noch einmal allen Einsender:innen ausdrücklich gedankt.

Wir waren überwältigt. Die Auswahl fiel schwer und war am Ende doch sehr eindeutig.

Die Hauptpreisträgerin der Ausschreibung von 2023 ist die Schriftstellerin und Dramaturgin Rike Reiniger mit ihrem beeindruckenden Theaterstück Risse in den Wörtern.

Sie hatte die Preis-Jury, bestehend aus dem Schriftsteller Christian Baron, dem Journalisten und Wissenschaftler Yossi Bartal und Ute Ruß, der Mutter von Konstantin-Andok, klar überzeugt. In ihrem Text wird „Mut zur Haltung“ deutlich. Rike Reinigers vielschichtiger Bühnenmonolog thematisiert die Situation des suspendierten deutschen Bundeswehrsoldaten Sascha, der sich vor einer Untersuchungskommission für eine Dienstpflichtverletzung, während seines Afghanistan-Einsatzes rechtfertigen muss, weil er sich über die kalte und nur schwer auszuhaltende Kriegslogik hinwegsetzte.

„Mensch sein und Mensch bleiben, im Krieg und im Frieden, im Leben und im Tod“, so Ute Russ in Ihrer Laudatio – ein Text, der die Jury ebenso packte wie forderte. Rike Reinigers Monolog regt uns an zu fragen: „Was hätte ich gemacht?“

Das Buch ist im KLAK-Verlag erschienen.
Rike Reiniger: Risse in den Wörtern. Theatermonolog.
Klappenbroschur, 68 Seiten, 2018
ISBN 978-3-943767-62-9
9,90€
https://www.klakverlag.de/produkt/risse-in-den-wortern-theatermonolog/

Den zweiten Platz belegte der Journalist und Schriftsteller Olivier David (https://oliviercyrilldavid.com/) aus Hannover mit seinem Essay: „Onlyaso“.
Sein Text beschreibt anhand von Fußballfankultur und Politszene den Versuch, in der eigenen Vergangenheit Spuren von Widerständigkeit und Gegenkultur zu finden. Christian Baron ordnet ihn in seiner Laudatio der ‚Neuen Klassenliteratur‘ zu, die sich ganz allgemein in einem publizistischen Aufwind befindet. Typisch ist, dass sie ihren Texten nicht mehr versucht, die Autor:innenschaft hinter literarischen Fiktionen zu verbergen. Der Text schreitet von einem lebendigen Beispiel zum nächsten. Dabei stehen immer große Themen zur Debatte, die Frage von Zugehörigkeit und Ausschluss, die Macht der Einzelnen und die der Strukturen. Gemeinsam mit dem Protagonisten, dem Graffiti-Künstler Yaso, geht es um die Suche nach einer Ästhetik der Revolte.

Der Essay „Onlyaso“ ist im Sammelband „Von der namenlosen Menge. Über Klasse, Wut & Einsamkeit““ im Haymon-Verlag erschienen.

Olivier David: Von der namenlosen Menge
über Klasse, Wut & Einsamkeit
ISBN 978-3-7099-8231-0
176 Seiten, gebunden
Erscheinungsdatum: 14.05.2024
22,90 €
https://www.haymonverlag.at/produkt/von-der-namenlosen-menge/

Last but not least kam der Bandenburger freie Autor und Fotograf Christian Wittmann (https://www.christianwittmann.com/de) auf Platz Drei mit seinem anrührenden Text: „Sein letztes Geschenk“. Sein Text setzt sich aus der Perspektive eines OP-Pflegers schonungslos ‚hautnah‘ und dabei ebenso tastend wie reflektiert mit dem Thema Organspende, bis zur Schmerzgrenze auseinander. Jeder Gedanke, jeder Satz ist mit Bedacht gewählt, so Yossi Bartal in seiner Laudatio. Während der Körper eines Hirntoten ‚ausgeräumt‘ wird, entfaltet sich vor uns ein komplexes Drama, das so dicht erzählt ist, dass es seine Leser:innen nicht unberührt lassen kann. Christian Wittmann führt seine Beobachtung in einem neuen Format weiter: Mehr ist zu erfahren unter: https://christianwittmann9.wixsite.com/pflegekraft-stories

Die Reportage „Sein letztes Geschenk“ kann auch als Hörbuch auf der Internetseite der Ruhrfestpiele angehört werden:
https://soundcloud.com/user-863051563/christian-wittmann-sein-letztes-geschenk



Die Preisverleihung kann im Internet angeschaut werden:
https://tinyurl.com/KALP2023

Der Preis wurde gestiftet vom SOLI NETZ, einer Initiative, die sich bemüht Menschen zu unterstützen, die unbequeme Fragen stellen, die sich ihren Eigensinn und ihre Widerständigkeit bewahren und die sich nicht von kapitalistischen Alltagslogiken unterkriegen lassen wollen.

Im Zuge unserer Arbeit am Preis stießen wir auf die noch junge Literaturzeitschrift »nous« – Zeitschrift für konfrontative Literatur (https://nous-online.net/), die einen Sonderpreis für ihr Engagement erhielt. Das Literatur-Magazin, das jährlich seit 2019 erscheint, spricht durch seine Themenvielfalt, seine Aktualität, seine Texte und Grafiken an. Schnell spürten wir, dass der programmatische Text aus der Feder von Mesut Bayraktar: „Warum konfrontative Literatur“ (Februar 2020) überraschende Übereinstimmungen mit unserem Anliegen zeigt.

Wir schrieben: „Öffentlichkeit ist eine Bedingung von Demokratie. Sie erlaubt uns, Interessen zu formulieren und für deren Durchsetzung zu streiten. Trotz technologischer Voraussetzungen, […] werden viele wichtige Themen eng geführt.“

Im Artikel Bayraktars, der das Selbstverständnis von »nous« ausdrückt, heißt es:
„Konfrontative Literatur stellt das Austragen eines Konflikts zwischen Meinungen, Standpunkten, Sachverhalten, Personen, sozialen Räumen, Klassen im Geschriebenen dar. Sie ist niemals monokausal oder eine von einem Standpunkt ausgehende Einbahnstraße.“

Die Zeitschrift ist Stein des Anstoßes – bringt Themen auf den Punkt, die auch uns bewegten die SOLI-NETZ-Initiative ins Leben zu rufen und den „Konstantin-Andok-Literaturpreis“ auszuloben.

Nachdem sich das SOLI NETZ-Team vom Konstantin-Andok-Literaturpreis auf einen zweijährigen Ausschreibungsrhythmus geeinigt hat, wird die nächste Ausschreibung das Jahr 2025 bald in Umlauf kommen.

You’ll never walk alone!

Im Namen der Soli Netz-Initiative
wir freuen uns über Unterstützung

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